Diskutieren im Knast – Wohin uns die Gefahr führt

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ergeben sich die Eingriffsbefugnisse der Polizei aus dem Polizeigesetz des Landes Sachsen, dem Sächsischen Polizeigesetz (SächsPolG). Der präventive Ansatz von Polizeigesetzen wird kommunal durch Polizeiverordnungen untermauert. Auch hier, in den Städten, werden durch Polizeiverordnungen konstant die Befugnisse der Polizei erweitert – die Grenzen verschoben. Nun sollen die Befugnisse „bevor etwas passiert“ noch einmal kräftig erweitert werden. Prävention wird zunehmend zur Repression. Das geht zu weit und sollte Wahlkampfthema werden.

Das Problem heißt CDU

Die Vorverlagerung von Eingriffsbefugnissen ist bundesweit schon seit den 70er Jahren zu beobachten. CDU/CSU bilden dabei, auf Bundes- und Länderebene die Vorreiter. Baden-Württemberg und Bayern, als CDU/CSU alleinregierte Länder, halfen mittels Verwaltungshilfeverträgen nach der Wende die sächsische Verwaltung aufzubauen. Beispielsweise lautete bis 1994 die Formulierung der Aufgabe der Polizei „Gefahrenabwehr und Beseitigung von Störung“. Dank der CDU Sachsen sollten von nun an „Straftaten verhindert und vorbeugend bekämpft werden.“ Konkret hatte dies zur Folge, dass seit 1994 öffentliche Kundgebungen und Demonstrationen auch gefilmt werden können, seit 1999 öffentliche Kameraüberwachung, verdachtsunabhängige Kontrollen möglich sind, sowie die Einrichtung von zeitlich befristeten Kontrollbereichen realisiert wird.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Sächsischen Polizeigesetzes kommen die Ausweitung der Kameraüberwachung bis zu 30km im Grenzbereich, die Kennzeichen- und Gesichtserkennung, das Auslesen und Abgleichen biometrischer Daten sowie mehr Überwachungsinstrumente für Kommunen dazu. Auch wenn das Motiv der „drohenden Gefahr“ nominell nicht den Stellenwert hat wie im bayerischen, ist es doch auch in Sachsen roter Faden des Gesetzesentwurfs. Die Logik der „drohenden Gefahr“ hält mittels einer komplexeren Formulierung Einzug. Sie lautet: „Wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person innerhalb absehbarer Zeit ein, ihrer Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen“. Dabei ist die Formulierung „ihrer Art nach“ so unkonkret, dass selbst Rucksackträger*innen zur „drohenden Gefahr“ werden können. Sogenannte „Gefährder“, deren (vermutete) Kontakt- und Begleitpersonen haben Überwachung, Kontaktverbote, -gebote, Fußfesseln zu befürchten. Dabei besteht keine Nachweispflicht der Gefahr durch die Polizei. Gemeint sind wir mit den Verschärfungen alle.

Dass die Quellen-TKÜ, also der vollständige Zugriff auf technische Geräte, nicht im geplanten Polizeigesetz vorgesehen ist, wird von der SPD als „Erfolg“ verkauft. Auch bundesweit knicken CDU Koalitionspartnerinnen vor dem Sturm auf Grundrechte reihenweise ein. Ohne, dass das Problem CDU beim Namen genannt wird.

Soziale Konflikte werden als Sicherheitsprobleme und autoritär behandelt. Die Polizei wird im Tagesgeschehen immer mehr zur politischen Akteurin. Das ist eine allgemeine Entwicklung, nicht sachsenspezifisch. Nebst „kritischer Versammlungslagen“ wird sie unkritisch in immer mehr Gremien einbezogen. Wer stellt sich dabei die Frage, was das mit der Sicherung des Gewaltmonopols zu tun hat? Das Argument „Prävention ist besser als Repression“ mag plausibel erscheinen, jedoch werden soziale Konflikte vermehrt als Kriminalität behandelt. Beispielsweise ist die Polizei seit 2002 Mitglied im Drogenbeirat Sachsen. Dass die CDU über die Polizei in einen sozialen Konflikt eingreift, ist an dieser Stelle evident.

Die Gewaltenteilung und Grundrechte wurden nicht nur zu den G20-Protesten aufgehoben. Mit der „unabhängigen Beschwerdestelle“ der sächsischen Polizei, angesiedelt beim CDU geführten Innenministerium, wird angesichts der anonym uniformierten Schlägertruppen Rechtsstaatlichkeit simuliert.

Ein amtierender CDU-Polizeipräsident, der während einer Diskussionsveranstaltung die „Kennzeichnungspflicht für Demonstrantinnen“ forderte, soll sie nun bekommen – mittels erweiterter  Überwachungsbefugnisse. Das Konstrukt der parteinahen Polizei, satirisch wie der Hutbürger, wird schon jetzt mittels § 114 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) zur bitteren Realität, wenn dem CDU-Polizeibeamten in der Gastwirtschaft nicht der Weg frei gemacht wird.

In Kombination mit einer potentiellen AfD-Koalition könnten wir genügend Gelegenheit bekommen über all das zu  diskutieren – im Gefängnis.

von GGBO Leipzig

  • Wer sind wir?

    Wir sind ein Teil der Proteste von „Polizeigesetz stoppen!“ in Sachsen.

  • Bündnis „Polizeigesetz stoppen!“

  • Zeitung #2