Weder Freiheit noch Gleichheit – Antirassistische Kritik am Polizeigesetz

Das neue Polizeigesetz, das in Sachsen verabschiedet werden soll (SächsPVDG und SächsPBG), wird Auswirkung auf alle Menschen haben, die sich hier aufhalten. Schwarze, nicht-deutsch gelesene Menschen und Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung sind davon allerdings noch mal stärker betroffen . Inwiefern das PolG damit den rassistischen Status Quo verschärft, soll der Text zusammenfassen. Im Anschluss soll es eine Einordnung geben, inwiefern die Polizei als staatliche Institution als Schutz für die Aufrechterhaltung des bürgerlich-kapitalistischen Nationalstaates funktioniert.

Institutioneller Rassismus und Racial Profiling

Die Polizei ist eine dem Innenministerium nachgeordnete Behörde, die für die Gefahrenabwehr, Aufklärung und Verhinderung von Straftaten verantwortlich ist. An Parlamentsgesetze und interne Verordnungen gebunden, hat sie die Macht, Menschen als „kriminell“ einzustufen und zu verfolgen. Dass dies dazu führt, dass bestimmte Personengruppen mehr und andere weniger von Kriminalisierung betroffen sind, hat sowohl eine strukturelle Ebene, als auch eine Individuelle. Polizist*innen sind Menschen mit einer politischen Meinung, durch die Gesellschaft geprägt, sozialisiert und keine neutralen Roboter. Diskriminierungen sind gesellschaftliche Probleme, die sich durch staatliche Institutionen ziehen und dort, aufgrund der Machtgefälle, besonders ausschlaggebend für Leben sind.

Besonders kommt dies bei verdachtsunabhängigen Personenkontrollen zu tragen, die nun durch die Einrichtung von Gefahren- und Kontrollgebieten immer häufiger als Repression und zur Überwachung eingesetzt werden. Von solchen Kontrollen sind hauptsächlich Menschen betroffen, die für die Polizei „ausländisch“ aussehen. Das gezielte Aussuchen nach dem äußeren Erscheinungsbild einer Person nennt man ‚racial profiling‘ und es ist diskriminierend, weil es  Menschen aufgrund ihres Aussehens als „kriminell“ einstuft. Racial profiling verstößt gegen das Diskriminierungsverbot und den Gleichheitsgrundsatz, der im Art. 3 Absatz 1 des Grundgesetzes steht. Gerade gegenüber Migrant*innen wiegen sich die Beamt*innen in der Sicherheit, dass die Betroffenen, aus Angst vor dem Verlust einer oft unsicheren Aufenthaltserlaubnis, keine Anzeige erstatten. Das führt, neben der ohnehin auftretenden Polizeigewalt gegen (linke) Demonstrierende, Journalist*innen und Sanitäter*innen auf Demos, zu zahlreichen Übergriffen auf schwarze Menschen und Geflüchtete. Neben Rassismus zeigen sich auch andere Diskriminierungsarten in polizeilichen Handeln, wie Antiromaismus (Sinti und Roma sind Betroffene) und Transfeindlichkeit (gegen Menschen gerichtetes Handeln, deren biologisches und soziales Geschlecht verschieden ist).

…eine konsequente Fortsetzung des Status Quo.

In dem aktuellen Gesetzesentwurf finden sich einige Änderungen, die sich auf Migrant*innen besonders negativ  auswirken können. Jedoch nicht speziell, weil das Gesetz zwischen Staatsbürger*innen und Menschen ohne Staatsbürgerschaft trennt, sondern weil die Polizei innerhalb von gesellschaftlich verankerten Stereotypen handelt und weiter in unser Leben eingreifen kann.

Die Möglichkeit, heimliche Kontrollgebiete einzurichten, wird durch § 15 I Nr. 6 SächsPVDG geschaffen, wodurch die Identität festgestellt werden kann und gem. § 28 Nr. 7 SächsPVDG auch Sachen durchsucht werden können. Die Angst vor ständiger krimineller Einstufung und Kontrolle führt dazu, dass Menschen sich in ihrer täglichen Lebensgestaltung selbst einschränken und öffentliche Orte meiden, um dem zu entgehen. Solche „No-Go-Areas“ können kein Ausdruck einer libertären Demokratie sein. Die massive technische Aufrüstung der Polizei wird zudem auch noch bei Abschiebungen verstärkt eingesetzt und trifft so diejenigen, die kaum (oft durch fehlenden Rechtsbeistand) grundrechtlichen Schutz genießen und sich gegen Verletzungen wehren können.

Nicht nur ein Gesetz, sondern ein System

Die Änderung der Polizeigesetze, die gerade bundesweit stattfinden, steht in einer Reihe mit der autoritären Entwicklung zu mehr Kontrolle, Überwachung und Kriminalisierung jeglichen Verhaltens, welches nicht in die bürgerliche Norm gezwungen werden kann. Der Ausbau eines Repressionsorgans, dass ungleiche Verhältnisse aufrecht erhält, soll dabei eine legale Grundlage bekommen, um weitreichende Eingriffe in die Leben der Menschen vornehmen zu können und das mit immer stärkeren Mitteln. Die Aufrüstung und Militarisierung der Polizei, die im Rahmen von antifaschistischen Kundgebungen immer wieder Thema war, trifft auch und vor allem arme und migrantische Communities. So wird in sogenannten „sozialen Brennpunkten“ Präsenz erhöht und es laufen auch mal Polizist*innen mit Maschinenpistolen Streife. Auch die Aufrüstung bei Großereignissen wie zum Tag der deutschen Einheit in Berlin – trifft vor allem Personen, die als „Ausländer“ eingeordnet werden, denn das Bild vom „Terroristen“ ist stark geprägt von rassistischen Zuschreibungen. Der bürgerlich kapitalistische Nationalstaat wurde zur Sicherung der Eigentumsverhältnisse errichtet und ist auf verschiedene Diskriminierungsmechanismen und -formen angewiesen, um die privilegierte Stellung zu konservieren. Rassismus, der die wirtschaftliche, militärische und ideelle Hegemonie des globalen Nordens rechtfertigen soll, ist daher genauso wichtig zur Aufrechterhaltung wie Sexismus, der unbezahlte Reproduktionsarbeiten an Frauen* überträgt. Besonders wenn mehrere Unterdrückungsformen aufeinander treffen, führt dies dazu, dass Menschen (z.B. schwarze geflüchtete Frauen* ohne gesicherten Aufenthaltsstatus) in der Repräsentativdemokratie marginalisiert werden, kaum sichtbar sind und massiver Ausbeutung ausgeliefert sind.

Die Krise des Kapitalismus wird seit Jahrzehnten wegreguliert und fand seine Zuspitzung in den neoliberalen Reformen und die de facto Aushebelung des Menschenrechts auf Asyl in der BRD 1993. Grenzsicherung wird als Mittel der Regulierung von sozialen Bewegungen, die eine Reaktion auf ungleiche Machtverhältnisse global darstellen, eingesetzt. Menschen sterben auf dem Weg zu einem sicheren Ort und werden selbst beim Ankommen im „Zielstaat“ noch in Lager gesteckt, bürokratischen Sanktionen unterzogen und zur Zielscheibe von polizeilichem Handeln.

Das Sterben auf dem Mittelmeer, in der Sahara und in den libyschen Lagern, zeigt außerdem, dass nicht nur im Hambacher Forst – Profitinteressen und die Absicherung von Gewinnen erste Priorität von kapitalistisch verfassten Regierungen sind.

Weder Freiheit noch Gleichheit

Die Polizei spielt im Verhältnis von Staat und Mensch eine besondere Rolle, da sie das Gewaltmonopol innehat und Recht und Gesetz durchsetzt. Durch sie werden also „die Gesellschaft“ und „der Staat“ geschützt. Die Konstitution unserer Gesellschaft und Institutionen steht jedoch immer noch in einer (neo)kolonialen und patriarchalen Kontinuität, sodass durch die Durchsetzung der Gesetze Herrschaftsverhältnisse immer wieder aufs Neue manifestiert werden. Weder die Verfassung (Grundgesetz) noch einzelne Gesetze können daher als allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, der die Freiheit und Gleichheit aller Menschen festsetzt und allen zugute kommt, gesehen werden.
Sie sind die Legitimation der Verteidigung privilegierter Stellungen für wenige gegen diejenigen, die nach Gerechtigkeit und Gleichheit streben.

Befreiung als einzige Alternative

Kein Polizeigesetz der Welt kann uns die Freiheit schenken, nach der wir suchen – eine Gesellschaft ohne Diskriminierung, ohne Abwertung von Menschen, ohne Grenzen. Wir sind gegen die geplanten Reformen, ohne für die Erhaltung des Status Quo zu sein. Denn dieser ist schon jetzt dafür verantwortlich, dass rechte Mobs unaufgehalten durch die Polizei durch Straßen ziehen und rassistische, national(sozial)istische und antisemitische Sprüche skandieren.

Auch davon sind nicht nur Weiße betroffen, sondern vor allem und existenzieller schwarze Antifaschist*innen. So können aber genau jene Ereignisse aus Chemnitz und Köthen kein Grund sein, schärfere Gesetze zu verlangen, da diese Verfehlungen nicht auf unzureichender Ausrüstung oder fehlenden Befugnissen gelegen hat, sondern an einer Verharmlosung rechter Gewalt und die engen Verbindungen zwischen staatlichen Sicherheitsbehörden und der rechten Szene. Wir dürfen niemals hinter einen demokratischen Standard zurückfallen. Dass soll uns aber nicht davon abhalten über Alternativen jenseits von Kapitalismus, Repräsentation und bewaffneten Kontrolleinheiten zur Durchsetzung von etablierten Machtverhältnissen nachzudenken und für unsere Ideale zu streiten.

Ein neues Polizeigesetz wird wahrscheinlich unumgänglich sein, wie es aussehen wird ist noch nicht final entschieden. Von daher ist die Verabschiedung des Gesetzes nicht nur die Erweiterung von polizeilichen Rechten, die in die Rechte von Bürger*innen eingreifen dürfen. Es ist auch ein Spiegel, welche Entwicklung unser Zusammenleben in Zukunft nehmen wird. Gesellschaft organisiert von Behörden und Vertreter*innen, anstatt von uns selbst, ist nicht die Freiheit die wir wollen.

Doch auch wenn wir uns im Moment mit dem Staat und seinem Gewaltmonopol arrangieren müssen, werden wir nicht aufhören dagegen zu kämpfen.

  • Wer sind wir?

    Wir sind ein Teil der Proteste von „Polizeigesetz stoppen!“ in Sachsen.

  • Bündnis „Polizeigesetz stoppen!“

  • Zeitung #2